Aus dem Dorfener Anzeiger vom 19.08.2011:

 

Abschied von der "Liebe auf den ersten Blick"

Schloss Kalling ist ein Juwel der späten Barock-Architektur. Über 1000 Jahre ist es alt und hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Jetzt wird wieder ein neues Kapitel aufgeschlagen. Schlossherrin Nannie-Ana Kuntz hat sich schweren Herzens entschieden, den früheren Adelssitz zu verkaufen.

Von Anton Renner

Kalling - Als die gebürtige Peruanerin 1989 das Schloss kaufte, waren Gebäude und Garten völlig heruntergekommen. Dass sie sich überhaupt dazu entschieden hat, sich einen Sanierungsfall ans Bein zu binden, hat mit Gefühl zu tun. „Als der Makler die Tür aufgemacht hat, war plötzlich alles anders. Ich habe sofort die Wärme und Anziehungskraft dieses Ortes gespürt“, erzählt die zierlich-attraktive Schlossherrin. „Es war Liebe auf den ersten Blick.“ Über 20 Jahre lang hat Nannie-Ana Kuntz nicht nur diese Liebe gepflegt, sondern auch unendlich viel Zeit und Geld in sie investiert. In Zusammenarbeit mit dem Denkmalamt wurde Stück für Stück unter Berücksichtigung der ursprünglichen Bauweise und Architektur stilgerecht saniert und ständig renoviert. 1992 hat die Schlossherrin den „Verhau“ um das Schloss beseitigen lassen. Zusammen mit dem namhaften Architekten Ivan van Mossevelde wurde der 4000 Quadratmeter große, wunderbare Barockgarten mit Beleuchtung rekonstruiert.

Wer das Schloss betritt, der wird von der barocken Atmosphäre überwältig: ein prachtvoller Treppenaufgang, Deckengewölbe mit Stuckverzierung, Holzschnitzereien, uralte, knarrende Holzfußböden. Die Diamanten des Schlosses sind die unschätzbare Barock-Bibliothek und die historisch renommierte Wallfahrtskapelle am Nordflügel des Schlosses. Sie ist ein einzigartiger, dreigeschossiger Kirchenraum mit einem eindrucksvollem Altar und Pieta-Darstellung - neben der Mutter Gottes, die unter einem großen Holzkreuz ihren toten Sohn in den Armen hält, stehen zwei Heilige. Darüber schweben zwei Engel. Das Werk stammt vermutlich aus der Schule der berühmten Asam-Brüder.  Das Anwesen verfügt über eine Wohnfläche von über 1000 Quadratmetern mit 22 wunderschönen, hellen Räumen mit großzügigen Grundrissen, zwei Bäder und vier Gästetoiletten. Jeder Raum für sich ist ein Traum. Historische Möbel und moderne Einrichtungsgegenstände ergänzen sich stilvoll - ganz so, wie die Schlossherrin eben selbst ist. Dabei liegt der studierten Wirtschaftspsychologin, deren Urgroßvater Deutscher war, das Herrschaftliche überhaupt nicht. Schon von Anfang an war für sie klar: „Das ist ein bayerisches Schloss, davon sollen die Menschen aus der Umgebung auch etwas haben. Jeder soll die Gelegenheit haben, das Schloss der Vorfahren auch zu erleben.“ Und so hat sie nie einen Zaun um das Anwesen gezogen. Und die Schönheit des Schlosses machte sie auch den Menschen zugänglich. Regelmäßig veranstaltete Kuntz Konzerte und Lesungen im Schloss oder der Kapelle. Das Erdgeschoss wurde für Feiern und Hochzeiten vermietet. Wenn Nannie-Ana Kuntz erzählt, ist ihre Begeisterung für den früher von Fürstbischof Eckher von Freising bewohnten Adelssitz sichtbar. „Es ist eine wunderbarer, wunderschöner Platz im Leben. Hier kann man Energie auftanken“, umschreibt die Schlossherrin. Aber sie wohnte auf Schloss Kalling von Anfang an alleine - ein Teil ihrer Familie ist in Peru, ihre Kinder leben in Amerika. Die Verantwortung und Arbeit ist ihr zuviel geworden, und sie will wieder mehr Unabhängigkeit haben, ihre Familie besuchen zu können. „Ein großes Stück von meinem Leben hängt im Schloss. Es fällt mir sehr schwer, zu gehen. Auch, weil die Nachbarn so wunderbar sind.“

Das Schloss wird mittlerweile in Internetportalen zum Verkauf angeboten. Nannie-Ana Kuntz hofft, dass die künftigen Eigentümer das Anwesen für die Menschen offen halten. Am besten würde es die Schlossherrin finden, wenn die Stadt das Anwesen kaufte. Aber bei einem Kaufpreis im siebenstelligen Bereich, das weiß Kuntz selbst, ist dies bei den finanziellen Verhältnissen Dorfens reine Utopie.

       

 

Ein Schmuckstück: Die Wallfahrtskapelle